5 Fragen an... Marlies Liekfeld-Rapetti
1. Obwohl Sie der Drang zur Kreativität seit der Kindheit begleitete, haben Sie medizinisch-technische Assistentin gelernt und erst später über den zweiten Bildungsweg das Abitur nachgeholt und an der Pädagogischen Hochschule Kunst und Germanistik studiert. In einem Interview haben Sie erwähnt, dass Sie eigentlich immer nur Kunst machen wollten, aber quasi stets verhindert waren. Erst mit ihrer Pension haben Sie sich auf die Kunst konzentrieren können. Hätten Sie mit dem Wissen von heute schon früher „das Unmögliche möglich“ gemacht und sich rein auf die Kunst konzentriert und wie schwierig war es, Ihren Wunsch nach Kreativität mit der Familie, dem Alltag bzw. Ihren Berufen zu verbinden?
Das “Unmögliche” blieb damals unmöglich, in einer Zeit, in der es mit 3 Kindern keine Kindergärtenplätze gab, der Ehemann sein Einverständnis geben musste, um ein eigenes Konto führen zu dürfen und es zum Haushaltsgeld für die Ehefrau nur ein geringes Taschengeld für den eigenen Bedarf gab. Für mich als Frau war es keine Alternative, auf Kinder zu verzichten. Meine kreativen Tätigkeiten konnte ich lediglich in den Nächten ausüben, was natürlich einer wirklichen künstlerischen Entwicklung entgegenstand.
2. Sie wurden 1939 in Königsberg/Preußen – nunmehr Kaliningrad – geboren. Über mehrere Destinationen sind Sie 1985 nach Klagenfurt gekommen. Heute ist die Stadt Ihr Lebensmittelpunkt und ebenso die künstlerische Heimat. Was schätzen Sie an der südlichsten Landeshauptstadt Österreichs und wie würden Sie Ihre Verbindung zu Klagenfurt beschreiben?
Klagenfurt ist ein Synonym für südlich, mit verheißungsvollem Licht und Klima und vielen landschaftlichen Vorzügen. Ich glaube, das beflügelt auch mein Freiheitsgefühl und das entspannte künstlerische Arbeiten. Ich schätze die kulturelle Vielfalt der Stadt und die Nahbarkeit vieler Persönlichkeiten und Institutionen des kulturellen Lebens, die mir in der Großstadt, z.B. in Berlin, wo ich zwischenzeitlich ein paar Jahre verbrachte, nicht so begegnet sind.
3. Sie haben einmal geäußert, dass Sie längerer Urlaub „unrund“ mache und die Welt für Sie in Ihrem Atelier stets in Ordnung sei. Nehmen Sie uns ein Stück mit auf Ihrer Reise von der Idee eines Werkes bis hin zum fertigen Kunstwerk und welche Rolle im Laufe Ihres Schaffens spielt dabei der „Zufall“?
Eine Idee entsteht zumeist über die sinnliche Wahrnehmung, wenn ich den Dingen, den Materialien, ganz nah bin, die ich vorfinde… manchmal in der Natur, Zweige, Rinde; oft im Atelier. Eigentlich überall: im Bauhaus eine Holzleiste, ein Drahtgeflecht u.a., eine Schraube, eine Steinplatte; an Mitmenschen: ein Stoffmuster, eine Falte, der Gang... All das beeinflusst die Ideen, die in der Fantasie bestehen und im Kopf herumgeistern. Die sinnliche Berührung initiiert am stärksten die künstlerische Arbeit, wandert von der Hand in den Kopf, den Geist und zurück in die Hand. Die Dinge finden mich – das ist dann der Zufall – und wandeln sich in meiner schöpferischen Arbeit zu dem Ergebnis eines Werkes, bei dem jeweils eigene Regeln entstehen.
4. Auf Einladung der Kulturabteilung verbrachten Sie einige Zeit im Künstleratelier der Stadt Klagenfurt im slowenischen Dorf Šmartno. Wenn Sie sich heute an diese Zeit zurückerinnern… was ist Ihnen speziell in Erinnerung geblieben - sowohl allgemein, als auch in Bezug auf Ihr Schaffen und Ihre weitere künstlerische Entwicklung?
Diese Zeiten waren mit die schöpferischsten uns beglückendsten, weil die Freiheit, sich um nichts kümmern und sorgen zu müssen, die größte ist, die alles offenhält. Inwieweit meine künstlerische Entwicklung davon betroffen war, kann ich nicht beurteilen, aber ich fühlte schon einen Schaffensschub ohne Druck. Ich glaube, es war meine wichtigste Zeit.
5. Welche Ereignisse prägten Ihr Leben sowohl menschlich, als auch auf künstlerischer Ebene, am stärksten und warum?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Es gab so viele Ereignisse wie Krieg, Flucht vor den Russen, das Zerbrechen der Familie, der Tod der kleinen Schwester. Menschliche Tragödien, die sicher Einfluss auf die eigene Haltung haben und Kräfte mobilisieren. Auf künstlerischer Ebene gab es kein anderes Ereignis, als dass ich als Kind Papier und Buntstifte in die Hände bekam.