5 Fragen an... Aron Stiehl
1. Sie sind seit nunmehr 2020 Intendant des Stadttheaters Klagenfurt und Ihr Vertrag wurde unlängst bis 2030 verlängert. Wie würden Sie Ihre Arbeit in der südlichsten Landeshauptstadt Österreichs bis dato resümieren und welche Vorhaben, Stichwort partizipative Projekte, bzw. Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?
Die Arbeit hier macht mir großen Spaß, ich fühle mich sehr wohl hier und – auch wenn das vermessen klingt – fühle ich mich jetzt mehr als Kärntner und Österreicher als als Piefke. Vor allem durch das Buch „Engel des Vergessens“ von Maja Haderlap, Texte von Peter Gstettner und als süchtiger Hörer von Ö1 habe ich Kärnten mit seinen Bürgerinnen und Bürgern verstehen gelernt. Eines der wichtigsten Projekte war „Nicht sehen“ im Stadttheater, umgesetzt von Noam Brusilovsky, der in der nächsten Spielzeit ein weiteres partizipatives Projekt umsetzen wird: QUEERinthia, das die Geschichte queerer Menschen in der Vergangenheit und Gegenwart Kärntens beleuchtet. Auch die Jugendarbeit ist mir sehr wichtig und die Theaterfreundinnen und -freunde, die jetzt eine zusätzliche Theaterpädagogikstelle finanzieren. Allein an den Jugendlichen sehe ich, wie sich das Theater auf ihr Menschsein, auf ihr Selbstverständnis und auf ihre Reflektion auswirkt. Das Theater ist deshalb so wichtig, weil es den Menschen an das Menschsein erinnert und ihn zum selbständigen Denken auffordert. Grade in der jetzigen Zeit ist das essentiell.
2. In einem Interview haben Sie einmal erwähnt, dass Sie die Stadt, die Menschen und das Theater in Klagenfurt besonders schätzen. Was unterscheidet Klagenfurt von anderen Spielstätten bzw. was ist aus Ihrer Sicht charakteristisch für die Landeshauptstadt und das örtliche Stadttheater?
Das Stadttheater ist ein stagione-Theater, wo wir alle Rollen typgerecht besetzen können. Dass die jeweiligen Produktionen nur in einem bestimmten Zeitrahmen spielen, sichert die Qualität. Im Gegensatz zu den Repertoirehäusern, die Produktionen oft über Jahrzehnte im Programm haben. Das Stadttheater Klagenfurt ist ein besonderes Theater mit besonderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es hat eine besondere Energie, die es im Gegensatz zu anderen Häusern auszeichnet. Zudem steht das Theater Klagenfurt im Mittelpunkt der Gesellschaft – die Bürgerinnen und Bürger lieben dieses Haus und stehen dahinter. Das ist leider nicht mehr selbstverständlich.
3. Als Opernregisseur haben Sie zahlreiche Aufführungen überaus erfolgreich in Szene gesetzt. Welche Elemente sind Ihnen als Regisseur im Entstehungsprozess eines neuen Stückes besonders wichtig, wovon lassen Sie sich inspirieren und gibt es ein spezielles Credo, das Sie versuchen zu implementieren?
Im Vordergrund steht das Stück. Man darf nie schlauer als die Autoren sein und man muss dem Stück bzw. der Musik vertrauen. Aufgabe ist es, das Stück für die heutige Zeit verständlich zu erzählen ohne es zu beschädigen. Man muss mit den Geschichten, welche man erzählt, die Menschen zu neuem Denken verführen, sie aber nicht belehren. Theater mit erhobenem Zeigefinger geht immer schief.
4. Die Corona-Zeit hat auch die Theaterlandschaft stark geprägt. Sie merkten einmal an, dass „Online-Theater“ nicht wirklich funktioniert, da man u.a. die Gemeinschaft der Menschen bzw. die Wechselwirkung des gemeinsamen Erlebens und Erspürens der Aufführung vermisse. Neue Technologien drängen jedoch auch in die Opernhäuser dieser Welt. Die Wiener Staatsoper hat z.B. die digitale Bühnengestaltung mit Hilfe von Virtual Reality umgesetzt. In anderen Häusern wurden bei den Aufführungen AR-Brillen eingesetzt. Wie stehen Sie zu solch technischen Implementationen und wären diese auch für das Stadttheater eine Option?
Theater ist ein gesellschaftliches Ereignis, das im Hier und Jetzt stattfindet. Es ist ein analoges Ereignis. Die Vergänglichkeit einer Aufführung macht den Abend erst aus. Die spezielle Energie zwischen Bühne und Zuschauerinnen und Zuschauern ist jeden Abend anders. Ich selbst verstehe den Sinn von Onlinetheater nicht. Digitale Bühnengestaltung mit Hilfe von VR oder Aufführungen mit AR-Brillen sind durchaus möglich. Mit welchen Mitteln man Theater macht ist zweitrangig. Es gibt nur gutes oder schlechtes Theater. Wir müssen aber offen für die Zukunft sein.
5. Sie bekleiden das Amt des Intendanten mit Leidenschaft und kämpfen auch in finanziell angespannten Situationen für ein bestmögliches Angebot für die Bevölkerung sowie optimale Mitarbeiterbedingungen. Wenn Sie sich mit einer Figur aus einem Ihrer aufgeführten Werke vergleichen müssten, dann sehen Sie sich selbst am ehesten in welcher Rolle und warum?
Isolde: „Ertrinken, versinken – unbewusst, höchste Lust“ Das ist für mich Theater: der Welt abhandenkommen und in dem Abhandenkommen diese und sich selbst wiederzufinden.